film&philosophie: fight club

Vordergründig ist Gewalt das Thema dieses Films, doch es geht um mehr: die Identitätssuche des Menschen, die Suche nach sich selbst. Der Film zeigt keine Lösung, kein Ende der Suche. Im Gegenteil, er endet im Chaos – einerseits. Andererseits hat sich der identitätssuchende, namenlose Erzähler durch das von ihm angerichtete Chaos – er führt die ganze global vernetzte Konsumgesellschaft zum Zusammenbruch – von seiner unheimlichen, dunklen Seite befreien können. Ein schockierender Film, der neben IKEA, Microsoft und Calvin Klein auch Staat, Kirche, Feminismus, Psychoanalyse und Wall Street in die Zange nimmt.

Der Film beschreibt die Suche von Menschen nach schlüssigen Antworten auf ihre Fragen, weil für sie der Sinn des Lebens zusehends im Un- und Wahnsinn unterzugehen droht. Auch ein einfach gestricktes Gottesbild (Gott liebt dich, wir sind doch alle seine Kinder) hilft dem nachdenklichen Menschen nicht viel weiter. Dem Suchenden im Film kommt es jedenfalls eher vor, als wären die meisten “Kinder Gottes” ungewollte und ungeliebte Kinder.

Der Film “Fight Club” zeigt ziemlich düstere “Lösungen”, aber er spricht auch die tiefgründigen Probleme des Identitätsverlustes, der Sinnfrage der menschlichen Existenz an, und das geht unter die Haut. Wenn der graue Alltagstrott so betäubend auf Körper und Geist wirkt, dass Schmerz zur “Wirklichkeitsdroge” wird, dann gewinnt der Kampf Mann gegen Mann mit blossen Fäusten – so lange, bis einer aufgibt – dem Leben einen Sinn ab. Es geht nicht um Sieg oder Niederlage, nicht um Ruhm oder Macht, und schon gar nicht um Geld – es geht darum, sich selbst zu spüren; wenn nicht durch Glück und Zufriedenheit, dann wenigstens durch Schmerz. Schmerz ist einfach zu haben, während Glück und Zufriedenheit in dieser Konsumgesellschaft nicht einmal mehr schlüssig definiert – geschweige denn erfahren – werden können.

Wohin führt diese Idee, durch Schmerzen zur Selbstverwirklichung zu gelangen? Ins Unglück, wie der Film zeigt: Die Persönlichkeit des Erzählers beginnt sich zu spalten – die Sinnsuche führt ihn langsam in den Wahnsinn. Erst gegen den Schluss des Filmes erfährt der Zuschauer, dass Tyler Durden, den der Erzähler eingangs im Flugzeug getroffen hatte, und der alles verkörpert, was sich der Erzähler – ein kleiner unbedeutender Bürosklave – insgeheim erträumt, aber nicht einmal sich selbst eingesteht, eigentlich sein unbewusstes, dunkles Ego ist. “Zusammen” bauen sie die Fight Clubs auf, in denen sich alltagsmüde Männer gegenseitig den Sinn des Lebens einprügeln können. Das dunkle Ego, Tyler Durden, wird immer mächtiger, und der namenlose Erzähler verliert zusehends die Übersicht über die Aktivitäten seines “Freundes” Tyler Durden. Der hat sich mittlerweile eine kleine Terroristen-Armee aufgebaut, aus Männern, die von ihren mittels Schmerzen erzeugten “sinnvollen” Augenblicken durch eine Hintertür vom Unsinn in den Wahnsinn abgetaucht sind. In sämtliche Bürotürme der Kreditkartenfirmen in New York und anderen amerikanischen Millionenstädten haben sie Bomben eingeschmuggelt, die nur noch auf die Zündung warten. Schliesslich kommt der Erzähler sich selbst auf die Schliche. Er beginnt, seine zunehmend krankhafte und zerstörerische Schizophrenie zu erkennen.

Zu Beginn des Films ergötzt sich der Erzähler – an Schlaflosigkeit leidend – am Leid anderer Menschen, indem er an allen möglichen Selbsthilfegruppen teilnimmt. Zu seinem eigenen Erstaunen kann er sich in der Krebs-Gruppe hemmungslos ausweinen und dadurch endlich wieder schlafen. Und dann gibt es da diese Frau, die ebenfalls als “Touristin” in die Selbsthilfegruppen geht. Er kann es nicht ertragen, sie – die sein eigenes Verhalten spiegelt – auf seinen Touren durch die Selbsthilfegruppen ständig zu treffen. Er versucht sie wegzuekeln, was ihm jedoch den ganzen Film über nicht gelingt. Er kriegt sozusagen sein Spiegelbild nicht los. So verliebt sich nicht er in sie, sondern Tyler Durden, sein dunkles Ego. Und als er alles begreift, ist es schon (zu?) spät.

Als er auch nicht mehr fähig ist, den Bombenterror, den er selbst vorbereitet hat, aufzuhalten, jagt er sich schliesslich eine Kugel in den Mund. So verschwindet Tyler Durden, seine dunkle Seite, und er erkennt, dass niemand ausser ihm Tyler Durden jemals gesehen hat. Er ist sein eigenes wahnsinniges Hirngespinst, das durch die in der Schluss-Sequenz des Films hochgehenden Bomben und die in sich zusammenstürzenden Wolkenkratzer New Yorks zur schrecklichen Wirklichkeit geworden ist. Mit zerschossenem Kiefer dem Chaos, das er angerichtet hat, zuschauend, sagt er zu seiner Freundin: “Ein schlechter Moment in meinem Leben, um mich kennenzulernen…”

Menschen, die sich dem spirituellen Leben zuwenden, suchen nach ihrer Identität – ihrer wahren Identität jenseits der körperlichen, zeitlichen und situationsbedingten Persönlichkeitskriterien. Spirituell Interessierte sehen bei dieser Suche wohl kaum eine Lösung in körperlichem Schmerz. Aber der Film zeigt auch, wie die vielen Mitglieder der Fight Clubs ihren gewohnten Tätigkeiten nachgehen und wie die verborgene Dimension ihres Lebens für sie je länger, je mehr an Bedeutung gewinnt und ihnen Sinn und Zufriedenheit im Alltag gibt. Die “verborgenen Dimensionen” eines spirituell suchenden Menschen sind nicht irgendwelche dunklen Fight Club-Keller, sondern vielleicht eher lichte Meditationsräume, aber die Idee ist dieselbe: Das menschliche Leben umfasst verschiedene Dimensionen. Besonders die spirituelle Dimension, wo die wahre Identität des Lebewesens liegt, sollte nicht vernachlässigt werden. Dies ist auch eine der grundlegenden Anweisungen der vedischen Schriften: atatho brahma jijïasa. Hier und jetzt (atatho) sollst du die spirituelle Dimension (brahma) erforschen (jijïasa). Dies geschieht ja nun nicht unbedingt durch Faustkämpfe, sondern eher durch einen Kampf, der in unser Innerstes führt und uns zeigt, wer wir sind…